Ernst

Im Raum Nummer sechs mit der Tür Überschrift „Ernst?“ Finden Sie öffentliche Bild- und Schriftäußerungen aus den verschiedenen Meinungslager, vor allem eine Auswahl so genannter Rathausfünde: Protestnoten, Demonstrationstafeln, visuelles und verbales Protestmaterial, das seit dem Jahr 2020 während verschiedener Proteste gegen die Impftpflicht, gegen den Lockdown, gegen die Maskenpflicht und gegen andere Maßnahmen der Regierung und der Behörden gegen die Ausbreitung der Pandemie und zum Schutz der Bevölkerung getroffen worden waren. Regelmäßige und spontane Proteste, Montagsspaziergänge, Demonstrationen gegen die von nicht wenigen Menschen ungerecht, ungerechtfertigt oder unverhältnismäßig empfundenen Maßnahmen. Eine ernste Kluft durch die Gesellschaft, oft genug sogar durch die Familien. Eine ernst zu nehmende Verwerfung im zwischenmenschlichen Zusammenleben, die zum Teil sehr verhärtete Fronten zwischen verschiedensten Glaubenslagern, Echokammern und Filterblasen sichtbar und fühlbar werden lassen hat. Diese Konflikte bilden eine Quelle quälender Fragen. Wer sich die Mühe macht, aus dem Modus schierer Behauptungen in einen Modus des Fragens zu kommen, um Ungewissheiten und Widersprüche auf den Grund zu gehen, muss ernst genommen werden, egal aus welchem Lager er oder sie kommt. Gerade das Zentrum für offene Fragen ist kein Ort für entweder die Stimmen der einen oder die Stimmen der anderen, sondern ein Ort der alle Stimmen aushält, in dem verhärtete Fronten durch Fragen wieder aufgewärmt, formbar und weicher gemacht und damit Räume eröffnet werden.

Hier im Raum „Ernst?“, dem Raum Nummer sechs, findet sich neben jenen zufällig gerahmten und gehängten Protestnoten und Plakaten des Weiteren noch eine Vitrine und die Fortsetzung der in allen Räumen sich durchziehenden Plakat- und Zettelwände mit aufgekleisterten Fragen in einem etwas deutlicheren und tieferen Kontext zum Thema des jeweiligen, hier dieses Raumes.

Die Vitrine enthält weitere jener selbst gemalten und selbst geschriebenen, improvisierten Demonstrationsschilder und Protestbilder, in denen sich ausgehend zunächst vom Zweifel an der Richtigkeit bestimmter Pandemiemaßnahmen gleich eine allgemeine, aufs große Ganze oder auf bestimmte soziale und politische Perspektiven projizierte Wut Luft macht.

Pflegepersonal, deren Ausbildungszeugnisse hier durchgestrichen worden sind und Kommentare darauf geschrieben, die sich alle um den Entschluss drehen, lieber den Job aufzugeben und nicht mehr in der Pflege zur Verfügung zu stehen, als sich impfen zu lassen. Unbeschadet dessen, ob viele dieser Zeugnisse sich als nicht echt entpuppen, sondern von einzelnen vervielfältigt wurden, mit dem Ziel, hier eine kritische Masse vor zu täuschen, zählt bei Ausstellung dieser Dokumente die Verdeutlichung der Wut und Hilflosigkeit.

Nichtsdestotrotz sind diese Haltungen ernst zu nehmen. Eine Demokratie muss Protest und muss Demonstrationen aushalten, egal, was Vertreter anderer Meinungen davon halten.

Viele der Demonstranten beklagten, unzutreffenderweise als rechtsextrem, rechtsradikal, oder Rechtsesoteriker bezeichnet zu werden, nur weil sie sich gegen einzelne Maßnahmen auszusprechen gewagt haben oder sich gar einem derartigen Demonstrationszug angeschlossen hatten. 

Auch Sie sind hier herzlich eingeladen, ihre Fragen, die sich ihnen im Angesicht dieses Raumes stellen, über das ausliegende Schreibmaterial aufzuschreiben und einzuwerfen. Oder mündlich über den telefonischen Audioguide Aufzusprechen, Oder über den Fraginator auf einem der interaktiven Bildschirme der Installation. Oder über diese Webseite im Bereich Frageneingabe, unter der Sie noch deutlich mehr Möglichkeiten haben, mit den Fragen umzugehen, die andere vor ihnen schon eingegeben hatten.